Mit Millionenbeträgen fördert die US-Militärbehörde Darpa Roboter-Forschungswettbewerbe, bei denen auch deutsche Hochschulteams antreten. Die wissenschaftlichen Ergebnisse werden für die Rüstungsindustrie ausgewertet – ein Deal, den nicht alle für sauber halten.
Das wird das Jahr der großen Robotik-Wettbewerbe: Vom 5. bis 6. Juni findet im kalifornischen Pomona die Endausscheidung der vor zwei Jahren gestarteten „Darpa Robotics Challenge“ statt, vom 17. bis 25. September dann die „euRathlon Challenge“ im italienischen Piombino. Und wie bei ähnlichen Wettbewerben aus der Vergangenheit werden die autonom agierenden Fahrzeuge auf Rädern, Ketten oder zwei Beinen gute Fotos liefern für die Medien: Wenn sie Hindernisse selbstständig überwinden, sich durch dichten Rauch manövrieren oder in letzter Sekunde die Ventile des Kesselwagens schließen, der voll ist mit imaginären Explosivstoffen.
Jeder Forscher, der bei diesen Wettbewerben mitmacht, muss sich im Klaren sein, dass er dem Militär zuarbeitet.
Jürgen Altmann, Physiker und Friedensforscher
Diese Bilder vermitteln eine Botschaft: Intelligente Roboter können bei der Suche nach Verletzten und bei deren Rettung Aufgaben übernehmen, die für den Menschen oft mit Lebensgefahr verbunden sind. Doch sind das wirklich die einzigen Ziele, die die Veranstalter verfolgen? „Jeder Forscher, der bei diesen Wettbewerben mitmacht, muss sich im Klaren sein, dass er dem Militär zuarbeitet“, sagt Jürgen Altmann, Physiker und Friedensforscher an der Technischen Universität Dortmund. Ziel sei die Gewinnung und Mobilisierung von Know-how, zunächst ohne teure Entwicklungsaufträge an die Rüstungsindustrie. „Ein Großteil der Technik von unbemannten Land-, Luft- und Wasser-Fahrzeugen sowie Robotern ist zivil und militärisch nutzbar“, sagt Altmann. „Hat man aussichtsreiche Technologien identifiziert, kann man sie übernehmen und Firmen beauftragen, die Waffen-Komponente hinzuzufügen. So will das Militär Kosten sparen und Ideen gewinnen, die außerhalb der Rüstungsindustrie entstehen.“
In Medienberichten über die Wettbewerbe wird der militärische Hintergrund meist kaum thematisiert. Bei den Veranstaltungen der Darpa ist er zumindest am Namen zu erkennen, denn die Abkürzung steht für „Defense Advanced Research Projects Agency“. Diese Einrichtung des US-Militärs hat zwar nur rund 200 Mitarbeiter, diese können allerdings über ein Budget von insgesamt etwa zweieinhalb Milliarden Euro verfügen. Neben direkter Forschungsförderung spielen dabei die „Darpa-Challenges“ eine Hauptrolle, gut dotierte Wettbewerbe, mit denen die Behörde verschiedene Forschungsbereiche vorantreiben will: Funktechnik, Cybersicherheit, die Vorhersage von Virus-Epidemien oder auch die Rekonstruktion geshredderter Dokumente (s. dazu auch Susanne Donners Geschichte „Das 600 Millionen Teile Puzzle“ über die virtuelle Rekonstruktion der Stasiakten).
Bekannt geworden sind vor allem die „Grand Challenges“, bei denen es um die Entwicklung von führerlosen Autos geht. Bei den ersten Durchgängen 2004 und 2005 mussten die Roboter-Fahrzeuge einen 230 Kilometer langen Parcours in der Wüste von Nevada absolvieren. 2007 durften sie schon auf abgesperrten Straßenzügen in der kalifornischen Kleinstadt Victorville fahren. An zwei der elf Finalisten-Teams waren deutsche Forschungseinrichtungen beteiligt: die Universität Karlsruhe, die TU München, die Universität der Bundeswehr in München, die TU Braunschweig sowie die Fraunhofer-Gesellschaft. Gewonnen hat das Preisgeld von zwei Millionen Dollar schließlich ein Konsortium der Firmen General Motors, Caterpillar und Continental sowie der Carnegie Mellon University.
Zwar erklärt die Darpa immer wieder, dass kein Team seine Technik offen legen muss – es sei denn, es wird direkt durch das US-Militär gefördert. Das aber ist häufig der Fall: 11 der 25 Finalisten der kommenden Robotics Challenge arbeiten mit Militärförderung. Gut 45 Mio. Dollar gibt die Darpa für die Unterstützung von Forscherteams im Rahmen des Wettbewerbs aus, hinzu kommen insgesamt 3,5 Mio. Dollar Preisgeld für die drei Gewinner.
„Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“, sagt dazu Frank Schneider, der den anderen großen Roboterwettwewerb dieses Jahres mitorganisiert, die Eurathlon Challenge. Schneider arbeitet am Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie (FKIE), das zusammen mit weiteren europäischen Forschungseinrichtungen den Wettbewerb veranstaltet. Einflussnahme gebe es hier nicht, sagt Schneider, schließlich würden statt großer Preisgelder nur Reisestipendien ausgelobt. Und tatsächlich kommt die Eurathlon Challenge erstmal wesentlich ziviler daher. Das Geld kommt aus dem EU-Forschungsetat, und laut Webseite entstand die Idee für den Wettbewerb nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima. Damals hätte man im Krisengebiet autonome Roboter gut gebrauchen können, zum Beispiel für die Luftaufklärung oder das Sammeln von Messdaten. Solche Aufgaben sollen im Wettbewerb Teams aus Land-, Unterwasser- und Flugrobotern gemeinsam bewältigen und dabei selbstständig handeln.
Klickt man allerdings auf der Eurathlon-Webseite auf den Reiter mit den Sponsoren, erscheint ganz oben ein großes Logo des „U.S. Office of Naval Research Global“, einer auf fünf Kontinenten vertretenen US-Militärbehörde. Und: Die Eurathlon Challenge ist die Partnerveranstaltung des Elrob-Wettbewerbs, den die Bundeswehr 2006 ins Leben gerufen hat und den ebenfalls Frank Schneider organisiert. Beide Wettbewerbe stehen gleichberechtigt auf der Website elrob.org.
Auch bei Elrob – kurz für „European Land-Robot Trial“ – geht es um schlau und selbstständig agierende Roboterfahrzeuge. Der Unterschied zu EuRathlon? „Faktisch tritt der zur Zeit nicht zutage“, räumt Schneider ein. Denn die zusätzlichen Fähigkeiten, die ein Militärroboter in einer Gefechtslage benötigen würde, seien zu komplex, um sie jetzt schon von den vorhandenen Prototypen zu verlangen.
Seit 2013 findet Elrob abwechselnd mit dem zivilen Pendant Eurathlon statt. Was einen ganz praktischen Vorteil hat: „Bei Eurathlon können auch Universitäten teilnehmen, deren Statuten eine Zivilklausel enthalten“, sagt Schneider. Immerhin 17 deutsche Unis, darunter auch die Technischen Universitäten in Berlin, Dortmund, Ilmenau und Darmstadt, haben sich mit solch einem Passus auf rein zivile Forschungsziele verpflichtet. Technische Entwicklungen, die erkennbar militärischen Zwecken dienen sollen, werden dabei meist ausdrücklich ausgeschlossen.
„Das erklärte Ziel des Projekts Vigir sind Roboter für die Katastrophenhilfe, aber es stellt sich die Frage, ob ein Wettbewerb mit so eindeutigen Verbindungen zum Militär zur Darmstädter Zivilklausel passt“, sagt Friedensforscher Altmann. „Der Senat der TU Darmstadt hat sich mit unserem Projekt im Hinblick auf die Verträglichkeit mit der Zivilklausel auseinandergesetzt und nach ausführlicher Diskussion beschlossen, dass diese Verträglichkeit gegeben ist“, antwortet Oskar von Stryk, Professor im Fachgebiet Simulation, Systemoptimierung und Robotik. Er verweist darauf, dass alle Zwischen- und Abschlussberichte sowie der Quellcode der entwickelten Software von seiner Arbeitsgruppe veröffentlicht würden und damit nicht nur der Darpa, sondern jedem zugänglich seien.
Die größte von diesen Robotern ausgehende Gefahr ist, dass einer umfällt und dabei eine zu nahe stehende Person behelligen könnte.
Oskar von Stryk, Roboterforscher
Von Stryk räumt allerdings ein, dass „wie bei jeglicher Technologie Dual-Use-Anwendungen nicht gänzlich ausschließbar sind“. Friedensforscher Jürgen Altmann wünscht sich deshalb ein selbstbewussteres Auftreten von Wissenschaftlern, die in diesem Bereich arbeiten – immerhin könnten ihre Ergebnisse zur Entwicklung von Waffensystemen beitragen, die selbstständig über Tod und Leben entscheiden: „Es wäre gut, wenn mehr Robotikforscher und -forscherinnen sich für ein Verbot autonomer Waffensysteme einsetzen würden, wie es gerade in der Staatengemeinschaft diskutiert wird.“ Auch von Stryk lehnt nach eigener Aussage Roboter strikt ab, die für eine militärische Anwendung hin entwickelt und optimiert werden. Die von den Darmstädter Forschern entwickelte Technik sei aber für eine Verwendung als Waffensystem denkbar ungeeignet: „In der Darpa Robotics Challenge werden wir sehen, wie diese humanoiden Roboter sich abmühen, in Zeitlupengeschwindigkeit kinderleichte Aufgaben durchzuführen. Die größte von diesen Robotern ausgehende Gefahr ist, dass einer umfällt und dabei eine zu nahe stehende Person behelligen könnte.“•