Wie braunes Fett uns abnehmen lässt

1,5 Mio. Euro vom Europäischen Forschungsrat (ERC): Die Rückkehr aus den USA hat sich gelohnt für Tim Schulz. Nach fünf Jahren am Joslin Diabetes Center und der Harvard Medical School in Boston erforscht der Biochemiker jetzt in Potsdam unsere Pölsterchen: Der 36-jährige leitet am Deutschen Institut für Ernährungsforschung (Dife) die DFG-geförderte Nachwuchsforschungsgruppe „Fettzell-Entwicklung“.

Tim Schulz
Tim Schulz
Herr Schulz, DFG-Förderung und ERC Starting Grant – Geldsorgen in Bezug auf ihre Forschung haben Sie ganz offenbar nicht. Gibt es einen Trick, um als junger Wissenschaftler an Fördergelder zu kommen?

Ich denke die Erfolgsquote ist höher wenn man einige Zeit im Ausland geforscht hat. Deutschland hat großes Interesse, seine Nachwuchswissenschaftler wieder zurückzuholen. Fördergelder sind da natürlich auch ein Anreiz. Dazu ist es im Ausland auch nicht zwangsläufig einfacher, gefördert zu werden. In den USA wird seit der Wirtschaftskrise vor allem in der Forschung gespart. Generell ist für eine Förderung aber vor allem ein spannendes Projekt wichtig, das sich am besten auch mit einem aktuellen Thema beschäftigt. Und natürlich eine Portion Glück.

Dass Fettforschung gut ankommt, können wir uns vorstellen. Aber Sie kümmern sich ja nicht um all das Fett, mit dem wir uns auf der Waage herumschlagen, sondern nur um eine bestimme Sorte. Warum?

Der Mensch hat zwei Typen von Fett. Es gibt das bekannte weiße und dann noch das eher unbekannte braune Fett. Gerne wird auch vom bösen weißen und guten braunen Fett gesprochen. Das weiße Fett speichert Energie – wenn wir zu viel essen, nehmen wir zu. Das braune Fett macht aber erstaunlicherweise genau das Gegenteil: Es verbrennt Energie und setzt sie als Wärme frei. Vor einigen Jahren haben Forscher in Versuchen mit Mäusen herausgefunden, dass es induzierbares braunes Fett gibt. Damit bezeichnen wir einen Vorgang bei dem weiße Fettzellen dazu angeregt werden, sich in braune umzuwandeln – also schlechte in gute Fettzellen. Und das funktioniert auch beim Menschen. Und zwar durch Kälte. Studien haben gezeigt, dass Menschen, die sich länger in 16 bis 17 Grad kühlen Räumen aufhalten, mehr braunes Fettgewebe entwickeln.

Das weiße Fett speichert Energie. Das braune Fett macht aber erstaunlicherweise genau das Gegenteil: Es verbrennt Energie und setzt sie als Wärme frei.

Tim Schulz

Trichrom-Färbung eines Gewebsschnittes
Unter dem Mikroskop untersuchen Forscher die mit dem Farbstoff Trichrom gefärbten Gewebeschnitte des braunen Fetts.
Also stell ich mich jetzt einfach jeden Tag zehn Minuten ohne Jacke in die Kälte – und verliere dabei Gewicht?

Ganz so einfach ist es leider nicht. Ich fürchte, zehn Minuten sind dafür zu wenig. In der Studie verbrachten die Probanden sechs Wochen jeweils für zwei Stunden in einem kühlen Raum. Und ob man täglich mehrere Stunden für die Wunschfigur frieren möchte, das muss jeder für sich selbst klären.

Aber ist es denn möglich, sich gezielt braune Fettpolster anzulegen, um abzunehmen?

Theoretisch ja, auch wenn für das Abnehmen sicherlich mehr als ein Prozess bedeutend ist. Das Nervensystem spielt dabei eine entscheidende Rolle. Es gibt im Gehirn Kältezentren, die wahrnehmen, wenn wir frieren. Diese Zentren schicken dann entsprechende Signale über die Nervenbahnen aus, um dagegen etwas zu tun. Wir fangen zum Beispiel an zu zittern. Wenn wir aber länger in der Kälte sitzen, wird das braune Fett aktiviert, um Wärme zu produzieren. Passiert das öfter, werden mehr braune Fettzellen gebildet. Die Idee ist jetzt, den Fettzellen die Aktivierung durch das Nervensystem gezielt vorzumachen, ohne dass wir frieren. Und zwar mithilfe von passenden Signalmolekülen. Die suchen wir gerade.

Wenn Sie diese Signalmoleküle finden – könnte so auch Übergewicht bekämpft werden?

Floureszenzmarkierung von Fettzellen
Um braune Fettzellen (grün) von weißen unterscheiden zu können, markiert Tim Schulz das Fettgewebe mit Floureszenzfarbstoffen.
Das ist unsere Hoffnung. Vielleicht könnten wir auf diesem Weg eines Tages Übergewicht sogar einfach mit einer Tablette therapieren. Die Frage ist allerdings, ob alle weißen Fettzellen umgewandelt werden können. Bei Mäusen ist es beispielsweise so, dass sich das Unterhautfett besonders gut in braunes Fett umwandeln lässt, während es beim weißen Bauchfett schwieriger ist. Und das ist beim Menschen wahrscheinlich ähnlich.

Wieviel von dem braunen Fett haben wir denn normalerweise? Und hat jeder Mensch gleichviel davon?

Babys haben am meisten braunes Fettgewebe: So kühlen sie nicht aus. Es sitzt vor allem im Oberkörper zwischen den Schulterblättern und im Rückenbereich. Bei Erwachsenen findet man braunes Fett hauptsächlich entlang der Wirbelsäule, dazu noch in den tieferen Halsregionen und entlang der großen Blutgefäße im Oberkörper. Erwachsene haben nur noch sehr wenig braunes Fettgewebe, dafür aber meistens viel weißes Fett. Es ist jetzt aber nicht zwangsläufig so, dass man dicker wird, wenn man braunes Fett verliert. Andersherum wissen wir aber: Je dicker jemand ist, desto weniger braunes Fett hat er.

Wie wurde das braune Fett im menschlichen Körper entdeckt?

Das war fast zufällig. Lange Zeit dachten wir Fettforscher, dass braunes Fett nur bei Neugeborenen vorkommt und nicht mehr bei Erwachsenen. Onkologen, die sich mit Krebs beschäftigen, wussten aber schon länger, dass Erwachsene braunes Fett haben, weil es ihnen bei der Computertomografie die Aufnahmen verdorben hat. Und zwar dann, wenn den Patienten in der Tomografie-Röhre kalt wurde. Dann beginnt das braune Fett zu heizen, zeichnet sich auf dem Bild ab und überdeckt die Tumore. Daher sorgen Radiologen bei ihren Untersuchungen heute dafür, dass die Patienten nicht frieren. Zum Glück haben Onkologen und Fettforscher dann doch irgendwann miteinander gesprochen.

Histologischer Nachweis des Tubulin-Netzwerks
Das grün eingefärbte Netzwerk (Tubulin) sorgt unter anderem für die Stabilität der Fettzellen, blau kennzeichnet die Zellkerne.
Warum ist das braune Fett eigentlich braun?

Die braunen Fettzellen enthalten besonders viele Mitochondrien. Das sind die Kraftwerke der Zellen. Dazu ist das Gewebe sehr gut durchblutet. Da Mitochondrien und Blut sehr viel Eisen enthalten, färbt das die Zellen und das umliegende Gewebe braun.

Außer Energie verbrennen – kann das braune Fett noch etwas Überraschendes?

Besonders interessant ist, dass braunes Fett eine Rolle in der Steuerung des Blutfettspiegels und des Blutzuckerspiegels spielt. Es gibt eine Studie, die gezeigt hat, dass Menschen, die anfälliger für Typ-2-Diabetes sind, auch weniger braunes Fett haben. Das braune Fett hält aber vermutlich noch die eine oder andere kleine Überraschung für uns bereit. Das macht meine Arbeit ja so spannend.

Woran die Kollegen von Tim Schulz am DIfE forschen und warum sich die Ernährungsforschung mit konkreten Empfehlungen so schwer tut, beschreibt unsere Autorin Birgit Herden in ihrer großen Geschichte „Esst Euch zu Tode“.

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